Verfahren
beim EuGH in der Rechtssache Seeberger, C-585/11
Mündliche
Verhandlung am Donnerstag, 29.11.2012
- Der Fall:
Der deutsche Staatsangehörige Herr
Seeberger beantragte Ausbildungsförderung für sein Studium der
Wirtschaftswissenschaften an der Universität der Balearen auf
Mallorca in Spanien ab September 2009. Im Alter von 11 Jahren
wanderte die Familie Seeberger von München nach Mallorca aus, weil
sich der Vater dort als selbständiger Unternehmensberater
niederließ. Herr Seeberger absolvierte das spanische Abitur, welches
ihn zur Aufnahme eines Hochschulstudiums in Spanien berechtigt, nicht
aber in Deutschland.
Herr Seeberger kehrte Anfang April
2007 nach Deutschland zurück um dort ein Praktikum als Webdesigner
zu absolvieren. Schließlich beantragte er im August 2009 die
Bewilligung von Ausbildungsförderung für sein Studium in Spanien.
Das Bafögamt verweigerte die Förderung für das Auslandsstudium.
Gegen diese Entscheidung wurde beim Verwaltungsgericht Karlsruhe
Klage erhoben. Das Gericht setzte das Verfahren aus und legte den
Rechtsstreit dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vor,
ob die Entscheidung des Bafögamtes mit dem Europarecht zu
vereinbaren sei.
- Die Rechtsfrage:
Das Bafögamt verweigerte die
Förderung des Auslandsstudiums damit, dass Herr Seeberger die
dreijährige Residenzpflicht nicht erfülle. Danach könne
Ausbildungsförderung für ein Studium im europäischen Ausland nur
bekommen, wer zuvor bereits seit mindestens drei Jahren seinen
ständigen Wohnsitz in Deutschland hatte (§ 16 Abs. 3 BAföG).
Rechtlich geht es also um die Frage,
ob die dreijährige gesetzliche Residenzpflicht gegen Unionsrecht
verstößt. Das dreijährige Wohnsitzerfordernis stellt einen
Eingriff in die innerhalb der Europäischen Union gewährleistete
Freizügigkeit dar. Namentlich ist somit das Freizügigkeitsrecht
nach Art. 20 und Art. 21 AEUV durch die Wohnsitznahmepflicht
betroffen. Ferner kommt zudem eine Diskriminierung der Eltern in
Betracht, die von der unionsrechtlichen Niederlassungsfreiheit nach
Art. 49 AEUV Gebrauch gemacht hatten als sie nach Spanien
auswanderten um dort erwerbstätig zu sein.
- Der Schriftsatz:
Im Vorabentscheidungsverfahren beim
Europäischen Gerichtshof gibt es nur einmal das Recht, einen
Schriftsatz zur Vorlagefrage einzureichen. Im Unterschied zu dem
üblichen Verfahren vor den deutschen Gerichten hat man nicht die
Möglichkeit, schriftlich auf das Vorbringen der anderen Beteiligten
zu erwidern. Erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof
besteht die Gelegenheit zu den Gegenargumenten Stellung zu nehmen.
Der Schriftsatz wird üblicherweise mit einem ausformulierten
Urteilsvorschlag abgeschlossen, den der Gerichtshof im Tenor seines
Urteils verwenden kann.
- Vorbereitung der mündlichen Verhandlung:
Die mündliche Verhandlung hat am
29.11.2012 im Nouvelle Grande Salle des Europäischen Gerichtshofes
in Luxemburg stattgefunden. Wer als Rechtsanwalt zum ersten Mal beim
EuGH verhandelt, sollte sich zuvor unbedingt mit den Gepflogenheiten
bei der mündlichen Kommunikation mit dem Gerichtshof vertraut
machen.
Dabei ist der Leitfaden des Deutschen
Anwaltvereins hilfreich welcher im Internet heruntergeladen werden
kann www.anwaltverein.de/downloads/praxis/Leitfaden.pdf
Darin werden auch praktische Fragen
behandelt – von „Wo ist das Gericht?“ über „Wie komme ich
rein?“ bis hin zu „Wer sitzt wo?“.
- Die mündliche Verhandlung vor dem Gerichtshof:
Die mündliche Verhandlung beginnt
damit, dass der Vorsitzende des Gerichts die Anwälte zu einem
Vorgespräch mit den Richtern begrüßt und man sich dort vorstellt –
oder anders ausgedrückt, die Anwesenheit wird festgestellt. Der
Vorsitzende erkundigt sich dabei nach der voraussichtlichen Redezeit
der Anwälte, welche die zuvor festgelgten 15 bzw. 20 Minuten nicht
überschreiten darf und legt die Reihenfolge der Redner fest.
Die mündliche Verhandlung beginnt
dann mit den Hauptplädoyers der Anwälte, gefolgt von den Fragen der
Richter und der Gelegenheit, auf alle im Laufe der Verhandlung
aufgekommenen Themen zu Antworten und auf gegnerischen Vortrag zu
erwidern.
Das Hauptplädoyer sollte man wenn
möglich rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung ausformuliert
dem Dolmetscherdienst des Gerichtshofes per Email oder Fax zukommen
lassen, jedenfalls aber zum Termin eine schriftliche Zusammenfassung
für die Dolmetscher mitbringen.
Für die Dolmetscher sollte man
unbedingt langsam in das Mikrofon am Rednerpult sprechen und dabei
eine schnörkelige Sprache, Witze und Redewendungen tunlichst
vermeiden.
Bevor der Vorsitzende die mündliche
Verhandlung schließt teilt der Generalanwalt mit, wann der
Schlussantrag gestellt wird. Dieser wird im Fall "Seeberger"
am 21.2.2013 verkündet.